Mandanten-Information II. Quartal 2022

Sehr geehrte Damen und Herren,
in gewohnter Weise fassen wir die aktuellen Neuerungen, insbesondere aus dem Steuerrecht, nachfolgend zusammen:

1. Corona-Steuerhilfegesetz
Die Bundesregierung hat den Entwurf eines weiteren Steuerhilfegesetzes beschlossen, in dem bereits einige eingeführte Maßnahmen verlängert und neue Maßnahmen beschlossen wurden:

  • Steuerfreiheit des Pflegezuschusses in Höhe von 3.000,- € an Pflegekräfte und weitere in Krankenhäusern sowie in Pflegeeinrichtungen und -Diensten tätige Arbeitnehmer incl. Auszubildende, Freiwillige im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes und im freiwilligen sozialen Jahr. Begünstige Einrichtungen sind Krankenhäuser, ambulante Pflegedienste, ambulante Intensivpflege in Einrichtungen, Wohngruppen oder sonstige.
  • Homeoffice Pauschale soll bis 31.12.2022 verlängert werden (5,- € pro Tag, max. 600,- € im Kalenderjahr).
  • Bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die 2020 und 2021 angeschafft oder hergestellt wurden, können degressiv abgeschrieben werden; diese Regelung soll auch für Wirtschaftsgüter gelten, die 2022 angeschafft oder hergestellt werden. Die degressive Abschreibung ist begrenzt auf 25 % bzw. höchstens das 2,5-fache der linearen Abschreibung.
  • Für die zukünftige Anschaffung oder Herstellung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens kann ein Investitionsabzugsbetrag von bis zu 40 % (50 % für nach dem 31.12.2019 endende Wirtschaftsjahre) der voraussichtlichen Anschaffungskosten gewinnmindernd geltend gemacht werden. Es gilt einen Investitionszeitraum von drei Jahren, wobei für die Fälle, bei denen die Frist 2022 abläuft, diese Frist um ein Jahr verlängert wird.
Jahr der Bildung Späteste Auflösung
2017 2023
2018 2023
2019 2023

Tipp: Ist eine Investition bis Ende 2023 nicht realisierbar, sollte wegen der rückwirkenden Verzinsung vorher eine freiwillige Auflösung erwogen werden.

  • Reinvestitionsfrist des § 6 b EStG (Übertragung stiller Reserven) soll auch um ein Jahr verlängert werden.
  • Der Verlustrücktrag soll ab 2022 von einem Jahr auf zwei Jahre erweitert werden. Die Grenze steigt von 10 Mio. € auf 20 Mio. € (Zusammenveranlagung).
  • Die Förderung der steuerfreien Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld soll um sechs Monate bis Ende Juni 2022 verlängert werden.
  • verlängerte Abgabefrist Steuererklärung, sofern ein Steuerberater die Erklärung erstellt:
    Steuererklärung 2020: Angabe bis Ende August 2022
    Steuererklärung 2021: Verlängerung bis Juni 2023
    Steuererklärung 2022: Verlängerung bis Ende April 2024

Für nicht beratene Steuerpflichtige gilt für die Steuerklärung 2021 eine Abgabefrist bis September 2022, für die Steuererklärung 2022 bis Ende August 2023.

2. Regierungsentwurf über Anhebung des Mindestlohnes und die Grenze für Midi-Jobs
Der Mindestlohn soll auf 12,- € angehoben werden; zudem beträgt der Mindestlohn seit dem 01.01.2022 9,82 € pro Stunde, steigt zum 01.07.2022 auf 10,45 €, soll dann ab dem  01.10.2022 bei 12,- € liegen.
In dem Zusammenhang soll auch die Minijobgrenze von 450,- € ab 01.10.2022 auf 520,- € angehoben werden.
Der Übergangsbereich im Midijob soll von 1.300,- € auf 1.600,- € angehoben werden.

3. Entlastungspaket Energiekrise
Wegen der hohen Energiepreise hat die Bundesregierungen ein Entlastungspaket auf den Weg gebracht:

  • EEG-Umlage entfällt zum 01.07.2022
  • Pendlerpauschale: bislang 0,30 € je Entfernungskilometer, seit 2021 ab dem 21. Kilometer 0,35 € je Kilometer. Weitere Erhöhung auf 0,38 € ab dem 21. Kilometer soll rückwirkend ab dem 01.01.2022 gelten.
  • Erhöhung des Arbeiternehmerpauschbetrags von 1.000,- € auf 1.200,- €
  • Grundfreibetrag steigt zum 01.01.2022 von 9.984,- € auf 10.347,- €
  • Energiesteuer auf Kraftstoffe soll für drei Monate gesenkt werden
  • Alle einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen sollen einmalig eine Energiepreispauschale von 300,- € als Zuschuss zum Gehalt erhalten. Die Auszahlung soll über die Lohnabrechnung erfolgen und der Einkommensteuer unterliegen. Selbstständige erhalten einen Zuschuss über eine einmalige Senkung der Einkommensteuervorauszahlungen. Die ganze Abwicklung soll im September erfolgen. Nach jetzigen Kenntnisstand fallen Minijobber, Studenten und Rentner aus dieser Förderung heraus, was Proteststürme hervorgerufen hat. Es verbleibt abzuwarten, was tatsächlich umgesetzt wird.
  • Einmalbonus in Höhe von 100,- € je Kind, Anrechnung auf den Kinderfreibetrag

4. Steuerpflicht der Treibhausgasminderungsquote bei Veräußerung?
Seit dem 01.01.2022 kann jeder Besitzer eines Elektrofahrzeugs von der Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) profitieren, indem er die eingesparten CO2-Emissionen seines Fahrzeuges verkauft; dazu haben sich schon mehrere Online- Plattformen etabliert. In der Praxis stellt sich die Frage, ob diese Einnahmen in Höhe von bis zu mehreren hundert Euro zu versteuern sind.

Dazu gibt es die eine erste interne Verfügung der Finanzverwaltung: Handelt sich um betriebliche Elektrofahrzeuge, sind die Prämien stets als Betriebseinnahme zu versteuern. Handelt es sich um ein privates Elektrofahrzeug, liegen weder sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG vor, auch kein privates Veräußerungsgeschäft (§ 22 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG, da es an einem Anschaffungsgeschäft mangelt. Diese Auffassung wird in der Literatur derzeit diskutiert. Unklar ist noch, ob es sich bei Privatfahrzeugen doch um steuerpflichtige Einkünfte handelt, wenn die THG-Quote jährlich veräußert wird (Annahme gewerbliches Handeln?). Ferner ist noch unklar, wie THG-Quote zu behandeln ist bei Dienstwagen, die Arbeitnehmern auch zu Privatzwecken überlassen werden. Die offenen Fragen sollen zeitnah auf einer Bund-Länder-Ebene abgestimmt werden.

5. Wechsel der Bewertungsmethode bei einem Firmenwagen
Arbeitgeber können Arbeitnehmern einen betrieblichen Pkw auch zur privaten Nutzung überlassen; Arbeitnehmer müssen diese private Nutzung und die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte versteuern – entweder pauschal nach der sogenannten 1 % Regelung zzgl. 0,03 % für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder gemäß Fahrtenbuch.In der Vergangenheit waren viele Arbeitnehmer aufgrund der Corona-Pandemie zeitweise im Homeoffice tätig und sind seltener zur Arbeit gefahren. Mit der sogenannten 0,002 %- Methode kann für diese Fahrten eine Einzelbewertung vorgenommen werden.

Bisher konnte man im Laufe eines Kalenderjahres nicht zwischen der pauschalen Bewertung nach der üblichen 0,03 %-Methode und der Einzelbewertung jeder einzelnen Fahrt nach der 0,002 %-Methode wechseln. Im Rahmen der Lohnabrechnung musste der Arbeitgeber sich immer für das ganze Kalenderjahr entscheiden, welches Verfahren angewendet werden soll. Im Rahmen der privaten Einkommensteuererklärung konnte der Arbeitnehmer – jedoch nur mit Auswirkungen auf die Steuerbelastungen, nicht auf die Sozialversicherungsbelastungen – die eventuell günstigere 0,002 %-Regelung anwenden. Gemäß aktuellen BMF-Schreiben vom 03.03.2022 lässt die Finanzverwaltung erstmals eine rückwirkende Änderung des Lohnsteuerabzugs durch den Arbeitgeber zu.

Der Arbeitgeber ist sogar verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitnehmers zur Einzelbewertung der tatsächlichen Fahrten zwischen Wohnung oder erster Tätigkeitsstätte überzugehen, es sei denn, aus vertraglicher Rechtsgrundlage ergibt sich etwas anderes. Der Arbeitnehmer muss die tatsächlichen Tage aber dem Arbeitgeber mitteilen. Durch die günstigere Berechnung profitiert der Arbeitnehmer durch geringere Sozialversicherungsbeiträge – soweit unter den Beitragsbemessungsgrenzen – und Steuern. Auch für den Arbeitgeber kann sich die Umstellung lohnen durch die entsprechende Ersparnis der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung und durch die Umsatzsteuer auf die Dienstwagenüberlassung.

6. Vorsteuerabzug erst bei Zahlung
Sogenannte Ist-Versteuerer müssen ihre Umsätze erst versteuern und die Umsatzsteuer abführen, wenn sie Zahlungen erhalten haben. Demgegenüber können Leistungsempfänger die Vorsteuer bereits abziehen, wenn sie die Rechnung und Leistung erhalten haben – unabhängig von dem Zahlungszeitpunkt. Dieses gilt bisher im deutschen Umsatzsteuerrecht; der europäische Gerichtshof hat nunmehr entschieden, dass ein Vorsteuerabzug bei Ist-Versteuerern erst besteht, wenn die Rechnung bezahlt wurde.

Das Urteil ist für alle Unternehmen bedeutend, denn Unternehmer können in der Regel gar nicht erkennen, wie der leistende Unternehmer seine Umsatzsteuer abrechnet. Man darf gespannt sein, wie der Gesetzgeber/die Finanzverwaltung reagieren. Bis dahin dürfte Bestandsschutz gelten.

7. Zinsen bei Steuernachzahlungen und -Erstattungen
Nach einem Gesetzesentwurf der Bundesregierung soll der Zinssatz für Steuernachforderungen und -erstattungen für den Zeitraum ab 01.01.2019 rückwirkend (von bisher 6 %) auf 0,15 % pro Monat/1,8 % p.a. gesenkt werden. Der Zinssatz soll regelmäßig angepasst werden, spätestens alle drei Jahre (01.01.2026). Der Zinssatz von 6 % bleibt  bei sonstiger Verzinsung (z.B. Aussetzung der Vollziehung, Hinterziehungszinsen).

8. Reform der Grundsteuer
In diesem Jahr steht ein Mega-Projekt der Finanzverwaltung auf dem Plan: die neue Bewertung von 36 Mio. Grundstücken. Jeder Grundstückseigentümer muss eine Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwertes elektronisch im Zeitraum 01.07.2022 bis 31.10.2022 übermitteln. Diesbezüglich können wir Ihnen gerne behilflich sein, sofern wir die entsprechenden Angaben und Dokumente erhalten. Wir werden mit gesondertem Schreiben auf unsere Mandanten zukommen.

9. Spekulationssteuer bei einem selbstgenutzten Eigenheim
Wird eine Immobilie innerhalb der 10-jährigen Spekulationsfrist mit Gewinn verkauft, unterliegt dieses nur nicht der Einkommensteuer, wenn die Immobilie zuvor zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde; dieses gilt auch für ein voll erschlossenes Gartenhaus, selbst wenn es baurechtswidrig dauerhaft bewohnt wurde, und für Ferienwohnungen.

10. Häusliches Arbeitszimmer
Ein Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer setzt nicht voraus, dass das Arbeitszimmer für die Tätigkeit des Steuerpflichtigen erforderlich ist. Für den Abzug genügt es aus, wenn der Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betrieblich Zwecke genutzt wird – das Erforderlichkeitskriterium entfällt.

11. Steuerbegünstigung der vorweggenommenen Erbfolge
Übertragen Eltern ihren Kindern ertragsbringende Vermögenswerte und zahlen die Kinder aus diesen Erträgen den Eltern eine Rente, so handelte es sich in der Vergangenheit bei Vereinbarung bis 2007 um eine vorweggenommene Vermögensübergabe mit der Konsequenz, dass die Eltern die erhaltenen Zahlungen voll versteuern müssen, die Kinder diese voll steuerlich absetzen können. Seit dem 31.12.2007 gilt dies aber nur noch für Betriebsvermögen, die Übertragung von Immobilienvermögen ist nicht mehr begünstigt. Wird eine privat vermietete Immobilie gegen Rente übertragen, liegt in der Regel eine entgeltliche oder teilentgeltliche Übertragung vor – dies hängt davon ab, wie sich Leistungen und Gegenleistungen gegenüberstehen.

Wird die Immobilie vermietet, führen die wiederkehrenden Leistungen des beschenkten Übernehmers

  • in Höhe des Barwerts zu Anschaffungskosten (Abschreibungen für den Gebäudeanteil) und
  • in Höhe des Zinsanteils zu sofort abziehbaren Werbungskosten.

Der Übergeber der Immobilie muss nur den Ertragsanteil der Zahlungen als sonstige Einkünfte versteuern. Beachte: In Höhe der Entgeltlichkeit fällt ggfls. eine Spekulationssteuer an,  wenn 10 Jahre noch nicht verstrichen sind.

12. Erstattung von Parkgebühren an Arbeitnehmer
Die Erstattung von Parkgebühren durch den Arbeitgeber führt zu Arbeitslohn, da die Kosten bereits mit Entfernungspauschale abgegolten sind. Die Erstattung der Parkkosten ist nicht im überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers, so das Finanzgericht Niedersachsen. Anders ist es, wenn der Arbeitgeber selbst Stellplätze anmietet und dies dem Arbeitnehmer kostenfrei zur Verfügung stellt.

13. Bonuszahlungen der gesetzlichen Krankenkasse
Die von einer gesetzlichen Krankenkasse gewährte Geldprämie (Bonus) für gesundheitsbewusstes Verhalten stellt eine die Sonderausgaben mindernde Beitragserstattung dar. Erfreulicherweise hat das Bundesfinanzministerium nun entschieden, dass Bonusleistungen bis zu 150,- € pro Person die Sonderausgaben nicht mindern –  diese Regelung ist bis Ende 2023 befristet.

14. Befristung von Arbeitsverträgen aufgrund Mitwirkung an einem Projekt
Bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen mit Sachgrund gem. § 14 Abs. 1 TzBfG wegen der angedachten Mitarbeit an einem Projekt ist Vorsicht geboten. Dem Grunde nach ist zwar eine Befristung nach Ziff. 1. möglich, wonach für die Befristung ein sachlicher Grund besteht, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Für die Projektarbeit könnte ein lediglich vorübergehender Bedarf bestehen.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat jedoch in seinem Urteil vom 04.11.2021, Az. 11 Sa 218/21, festgestellt, dass die Befristung von Arbeitsverhältnissen im Zusammenhang mit einem Projekt nur dann gerechtfertigt ist, wenn beim Vertragsschluss mit Gewissheit oder jedenfalls mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit feststeht, dass es sich nicht um einen auf Dauer angelegten Projektinhalt handelt. Wenn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses offen ist, ob das Projekt auf Dauer oder nur befristet fortgeführt wird, ist nach Auffassung des Gerichts die Befristung von Arbeitsverhältnissen aufgrund dessen nicht gerechtfertigt. In solchen Fällen ist die Befristungsabrede unwirksam, mithin besteht das Arbeitsverhältnis unbefristet fort. Zur Beendigung bedarf es einer Kündigung. In einem solchen Prozess obliegt es dem Arbeitgeber, darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Beendigung des Projektes vorliegt. Vorsorglich sollten im Falle einer solchen Befristung Unterlagen vorgehalten werden, die diese überwiegende Wahrscheinlichkeit in ausreichendem Maße dokumentiert.

15. Schimmelbefall durch Wärmebrücken
Wärmebrücken in den Außenwänden einer Immobilie führen häufig zu Feuchtigkeit-und Schimmelschäden in Wohnungen. Das passiert insbesondere dann, wenn nachträglich durch einzelne Maßnahmen an Gebäuden der Luftaustausch reduziert wird, was insbesondere beim Austausch von Fenstern und Türen der Fall ist. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 05.12.2018 entschieden, dass derartige Wärmebrücken nicht als Mangel am Gebäude anzusehen sind, wenn der Zustand des Gebäudes mit den zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden Bauvorschriften und technischen Normen in Einklang steht. In diesen Fällen ist den Mietern zuzumuten, durch ein ausreichendes Lüftungsverhalten die relative Raumluftfeuchte so gering zu halten, dass es nicht zu Schimmelbildung kommt.