06 Sep Mandanten-Information III. Quartal 2019
Sehr geehrte Damen und Herren,
nachfolgend die aktuellen Neuerungen insbesondere aus Finanzverwaltung und Rechtsprechung.
1. Ordnungsvorschriften für elektronische Kassensysteme
Elektronische Registrierkassen, die nach dem 25.11.2010 und vor dem 01.01.2020 angeschafft wurden bzw. werden und bauartbedingt nicht aufrüstbar sind, so dass sie die Anforderungen der Finanzverwaltung erfüllen, dürfen längstens bis zum 31.12.2022 verwendet werden. Diese Ausnahmeregelung gilt nicht für PC-Kassensysteme.
Viele namhafte Kassenhersteller haben in den vergangenen Jahren mit einer Garantieerklärung für ihre Kassensysteme geworben, dass diese mit einer sogenannte TSE nachträglich aufgerüstet werden können. Diese Kassen müssen zwingend bis zum 31.12.2019 aufgerüstet werden!
Ansonsten besteht ab dem 01.01.2010 die Pflicht zum Einsatz zertifizierter technischer Sicherungseinrichtungen bei Kassensystemen, die aus drei Bestandteilen bestehen: einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium sowie einer digitalen Schnittstelle; nicht erfasst sind beispielsweise Geldautomaten. Neu ist insbesondere, dass fortlaufende Transaktionsnummern bei der Protokollierung vergeben werden müssen. Eine Pflicht zur Nutzung elektronischer Kassensysteme besteht nach wie vor nicht; neu ist aber, dass Steuerpflichtige dem Finanzamt eine Mitteilung auf einem amtlichen Vordruck machen müssen, wenn sie aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle oder andere Vorgänge mit dem elektronischen Auszeichnungssystem (Kassensystem) erfassen. Diese Mitteilung ist innerhalb eines Monats nach Anschaffung/Außerbetriebnahme des elektronischen Kassensystems zu erstatten. Elektronische Aufzeichnungssysteme, die vor dem 01.01.2020 angeschafft wurden, müssen bis 31.01.2020 beim Finanzamt gemeldet werden. Ob die Finanzverwaltung wegen der geringen verbleibenden Zeitspanne eine Verlängerung der Frist gewährt, ist noch nicht klar.
Wenn Geschäftsvorfälle mittels einer elektronischen Kasse erfasst werden, gilt ab dem 01.01.2020 eine Belegausgabepflicht.
2. Unfallkosten und Entfernungspauschale
Auch vom Steuerpflichtigen selbst getragene Krankenhauskosten nach einem Autounfall auf dem Weg zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sind mit der Entfernungspauschale abgegolten; diese Aufwendungen sind wie Unfallkosten nicht zusätzlich neben der Entfernungspauschale als Werbungskosten absetzbar.
3. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes
Am 31.07.2019 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes beschlossen; Ziel soll sein die Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen. Dazu soll beispielsweise die derzeitige 95 %-Grenze des § 1 GrEStG auf 90 % gesenkt werden. Flankierend dazu wird ein neuer Ergänzungstatbestand zur Erfassung von Anteilseignerwechsel in Höhe von mindestens 90 % eingefügt. Die zeitlichen Fristen werden von fünf auf zehn Jahre verlängert zur Vermeidung von Missbräuchen.
Die Verschärfungen sollen nicht gelten für Rechtsgeschäfte, die vor Zuleitung des Gesetzesentwurfes in den Bundesrat beschlossen wurden.
4. Reform der Grundsteuer
Der Gesetzgeber muss spätestens bis Ende 2019 eine Neuregelung treffen, da die bisherige Wertermittlung für die Grundsteuer verfassungswidrig ist. Kurz vor den Sommerferien wurden nunmehr Gesetzesentwürfe auf den Weg gebracht. Bei Neubewertung des Grundbesitzwertes soll es insbesondere auf den Wert des Bodens (Bodenrichtwert), die Höhe der statistisch ermittelten Nettokaltmiete, die Grundstücksfläche, die Immobilienart sowie das Alter des Gebäudes ankommen. Die Bewertung der Grundstücke nach dem neuen Recht soll erstmals zum 01.01.2022 erfolgen, wobei die Bundesländer eine Möglichkeit haben, von den Entwürfen abzuweichen und eigene Berechnungsmodelle einzuführen. Die neuen Regelungen zur Grundsteuer gelten dann ab dem 01.01.2025.
5. Jahressteuergesetz 2019
Die Bundesregierung hat am 31.07.2019 den als Jahressteuergesetz bezeichneten Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlichen Vorschriften besprochen. Neben der Förderung der Elektromobilität sowie der Anhebung der Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen und der Einführung eines ermäßigten Steuersatzes für sogenannte E-Books werden auch weitgehende Änderungen des Umsatzsteuergesetzes vorgenommen.
6. Elektronisches Fahrtenbuch für Unternehmer
Die unmittelbare elektronische Erfassung der Fahrtwege eines betrieblichen Fahrzeugs durch ein technisches System reicht zur ordnungsgemäßen Führung eines elektronischen Fahrtenbuchs nicht aus; neben dem Bewegungsprofil müssen die Fahrtanlässe – zumindest die betrieblichen – ebenfalls zeitnah erfasst werden.
Das Finanzgericht Niedersachen hat eine technische Lösung, die auch nach Jahren noch Änderungen zulässt, nicht anerkannt.
Ferner thematisierte das Finanzgericht die Differenz zwischen den Kilometerständen laut Fahrtenbuch und den Werkstattrechnungen bzw. dem TÜV-Bericht. Die Fahrtenbücher wurden verworfen, weil der Steuerpflichtige die tatsächlichen Kilometerstände zu keinem Zeitpunkt mit den rechnerisch ermittelten Kilometerständen des Fahrtenbuchs abgeglichen hat.7
7. Einrichtungsgegenstände bei doppelter Haushaltsführung
Bei einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung sind Unterkunftskosten ab 2014 mit maximal 1.000,- € im Monat als Werbungskosten abziehbar. Zu den Unterkunftskosten rechnete das Finanzamt bisher auch die Aufwendungen für die Einrichtungsgegenstände sowie den Hausrat. Nach einem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs sind nur die Kosten der Unterkunft auf 1.000,- € gedeckelt (Bruttomiete, bei einer Eigentumswohnung die Abschreibungen sowie Zinsen für Fremdkapital incl. Betriebskosten). Von dem Höchstbetrag nicht umfasst sind Aufwendungen für Einrichtungsgegenstände und Hausrat.
8. Minderung Eigenverbrauch für Pkw-Privatnutzung durch Garagenkosten?
Zahlt ein Arbeitnehmer ein Nutzungsentgelt für die außerdienstliche Nutzung eines betrieblichen Kfz, mindert dieses den steuerpflichtigen Eigenverbrauch. Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitnehmer einzelne Kosten wie beispielsweise Benzinkosten selber trägt.
Nach einem aktuellen Urteil des Finanzgerichts Münster mindern jedoch die auf die Garage eines Arbeitnehmers entfallenden Grundstückskosten diesen steuerpflichtigen geldwerten Vorteil nicht, wenn die Unterbringung in der Garage freiwillig erfolgt.
Die Aufwendungen wären steuerlich abzugsfähig, wenn sie zur Erfüllung einer arbeitsvertraglichen Klausel erforderlich sind.
9. Überstundenvergütung für mehrere Jahre
Bei einer Überstundenvergütung, die wegen eines Aufhebungsvertrags für mehrere Jahre in einer Summe in einem Jahr ausgezahlt wird, ist der ermäßigte Steuersatz für außerordentliche Einkünfte anwendbar. Es ist abzuwarten, wie der Bundesfinanzhof in der eingelegten Revision entscheiden wird.
10. Förderung des Mietwohnungsneubaus
Der Bundesrat hat am 28.06.2019 seine Zustimmung zum Gesetz zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus erteilt, so dass dieses in Kraft getreten ist. Der Gesetzgeber gewährt als Anreiz eine Sonderabschreibung, die 5 % im Jahr der Anschaffung bzw. der Herstellung und den folgenden drei Jahren beträgt; insgesamt können somit in den ersten vier Jahren bis zu 20 % zusätzlich zur normalen Abschreibung abgezogen werden. Es existieren jedoch zwei Grenzen:
Die Sonderabschreibung wird nur gewährt, wenn die Anschaffungs-/Herstellungskosten 3.000,- € pro m² Wohnfläche nicht überschreiten. Darüber hinaus werden steuerlich nur gefördert die Kosten bis zu maximal 2.000,- € pro m² Wohnfläche. Voraussetzung ist, dass der neue Wohnraum zur entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken über mindestens 10 Jahre entsteht.
Gefördert werden Baumaßnahmen aufgrund eines nach dem 31.01.2018 und vor dem 01.01.2022 gestellten Bauantrags.
11. Architektenhonorar – Ende der Preisbindung
Der Europäische Gerichtshof hat das bindende Preisrecht der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) als Wettbewerbshindernis betrachtet und damit für unwirksam erklärt. Das bedeutet, dass die Preise für Architekten- und Ingenieurleistungen nunmehr frei verhandelbar sind. Bisher mussten diese sich innerhalb der Höchst- und Mindestsätze der HOAI bewegen. Nur Bauvorhaben unterhalb von 25.000 EUR und oberhalb von 25 Millionen EUR fielen bisher nicht unter die HOAI-Preisbindung. Das gilt jetzt für alle Bauvorhaben. Architekten und Ingenieure müssen daher nunmehr in jedem Fall das Honorar für ihre Leistungen ausverhandeln und können sich nicht mehr darauf zurückziehen, dass bei fehlender Preisvereinbarung die Mindestsätze der HOAI als vereinbart gelten. Auf der anderen Seite sind Auftraggeber nicht mehr davor geschützt, dass auch ein über die Höchstsätze der HOAI hinausgehendes Honorar für Leistungen verlangt werden kann. Unabhängig davon bleiben jedoch die Leistungsbilder, die in der HOAI beschrieben werden, für den Umfang der Architekten- und Ingenieurleistungen erhalten und somit auch für die Frage, welche Leistungen Architekten und Ingenieure zu erbringen haben und für welche Leistungen sie Honorar verlangen können.
12. Arbeitgeberzuschuss zur Altersvorsorge der Arbeitnehmer
Wandeln Arbeitnehmer Teile ihres Gehalts abgabenfrei in eine betriebliche Altersvorsorge beispielsweise in Form einer Direktversicherung um, so ist der Arbeitgeber bei Neuverträgen ab dem 01.01.2019 verpflichtet, 15 % des umgewandelten Entgelts hinzuzuschießen, wenn und soweit Sozialversicherungsbeiträge eingespart werden. Für bereits bestehende Entgeltumwandlungsvereinbarungen gilt diese Verpflichtung ab dem 01.01.2022. Sollte man beispielsweise aufgrund der Gleichbehandlung bei bereits bestehenden Direktversicherungsverträgen dem Arbeitnehmer jetzt schon den Zuschuss gewähren, so stellt sich oft das Problem, dass bestehende Verträge nicht einfach erhöht bzw. angepasst werden können. Denkbar ist in diesen Fällen, dass der Betrag, der in die Direktversicherung gezahlt wird, bestehen bleibt und der Arbeitnehmer seine Entgeltumwandlung reduziert, Beispiel: bisher verzichtet der Arbeitnehmer auf 100,- € seines Arbeitslohns und zahlt diesen – abgabenfrei – in eine Direktversicherung ein. Zukünftig wird der Betrag der Gehaltsumwandlung auf 85,- € reduziert und der Arbeitgeber zahlt – auch in Erfüllung seiner ab 2022 geltenden Verpflichtung – 15,- € Zuschuss (entspricht 17,6 %, also mehr als die gesetzlich geforderten 15 %).
Durch diese Weise erfüllt der Arbeitgeber bereits vorzeitig seine gesetzliche Verpflichtung und der Arbeitnehmer freut sich über ein höheres Nettogehalt.
13. Kein Verfall des Urlaubs ohne konkrete Aufforderung und Hinweis des Arbeitgebers
Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 06.11.2018, C-684/16, waren deutsche Gerichte gehalten, § 7 BUrlG richtlinienkonform auszulegen. § 7 regelt den Zeitpunkt, die Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs. Danach verfällt der Urlaub, wenn er nicht bis zum 31.03. des Folgejahres genommen worden ist. Inhalt des EuGH-Urteiles war, dass der Urlaub aus dem Vorjahr nicht mehr „ohne weiteres“ nach Ablauf der ersten drei Monate des Folgejahres verfällt. Damit Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers verfallen können, muss der Arbeitgeber nachweisen, dass er den entsprechenden Mitarbeiter konkret aufgefordert hat, Urlaub zu nehmen und darauf hingewiesen hat, dass dieser ansonsten verfällt. Kann der Arbeitgeber diesen Nachweis nicht führen, kommt ein Verfall des Urlaubes nicht in Betracht. Entsprechende Urteile deutscher Gerichte sind zwischenzeitlich ergangen. Arbeitgeber sind daher gehalten, die Aufforderung und den entsprechenden Hinweis ordnungsgemäß zu dokumentieren.
14. Arbeitszeitvermutung ab 01.01.2019
Während früher bei fehlender Festlegung des zeitlichen Umfangs der Arbeitszeit beispielsweise bei Minijobbern eine Wochenarbeitszeit von 10 Stunden als vereinbart galt, ist diese mit Wirkung ab 01.01.2019 auf 20 Stunden heraufgesetzt worden. Unter Zugrundelegung des Mindestlohns von 9,19 € (2019) wird dann die Grenze jedes Minijobs überschritten. Bei strenger Auslegung wird somit das Minijob-Arbeitsverhältnis zerstört sowie der gesetzliche Mindestlohn unterschritten. Insofern sind zur Vermeidung des Risikos entsprechende Anpassungen notwendig, vgl. Hinweise auf unserer Homepage.
Bei Fragen sprechen Sie Rechtsanwalt Dr. Engel gerne an.
15. Verstoß gegen Mindestlohnvorschriften
Die Prüfer der Deutschen Rentenversicherung haben angesichts der regelmäßig wiederkehrenden Prüfungen die Anweisung, Verstöße gegen die Mindestlohnvorschriften ausnahmslos dem Zoll zu melden, der dann ein Strafverfahren oder zumindest ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eröffnen kann. Insofern sollten Sie den vorherigen Punkt sowie beispielsweise die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Anspruch auf bezahlten Urlaub insbesondere bei Minijobbern lückenlos kontrollieren und umsetzen.
16. Unterlagen für DRV-Prüfungen
Die Deutsche Rentenversicherung prüft Unternehmen, die Arbeitnehmer beschäftigen, lückenlos, üblicherweise in vierjährigen Abständen. Die Deutsche Rentenversicherung hat angekündigt bzw. ist teilweise dazu übergegangen, Stundenaufzeichnungen der Minijobber lückenlos anzufordern, sofern sich nicht entsprechende Arbeitszeiten aus dem Vertrag ergeben.
Tipp: zur Vermeidung von Nachzahlungen und von Risiken bezüglich des Zolls sollten daher Stundennachweise und Aufzeichnungen zeitnah geführt und entsprechend abgelegt werden.
Für Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.