Stundung des Pflichtanteils

Artikel in der Recklinghäuser Zeitung veröffentlicht am 31.07.2009

Zinslosigkeit kann gegenüber dem Finanzamt Nachteile haben

Einen interessanten Fall hatte das Finanzgericht Münster zu beurteilen. Eltern hatten – wie weit verbreitet – 1969 ein sogenanntes Berliner Testament errichtet und sich selbst gegenseitig zum Alleinerben des Erstversterbenden und die einzige gemeinsame Tochter zum Schlusserben bestimmt. 1987 hatte die Tochter hiervon Kenntnis erhalten und in einer Notarurkunde auf die Verzinsung eines Pflichtteilsanspruchs verzichtet (zinslose Stundung bis zum Tod des letzten Elternteils). Der Vater verstarb 1996, 2004 die Mutter. In der Erbschaftsteuererklärung nach dem Vater waren keinerlei Pflichtteilsansprüche bzw. Lasten geltend gemacht worden. Erst in der Erbschaftsteuererklärung nach der 2004 verstorbenen Mutter tauchte plötzlich die Nachlassschuld auf. Das Finanzamt berücksichtigte aber nicht den abgezinsten Betrag, sondern sah in der 1987 – also vor Entstehen eventueller Pflichtteilsansprüche – erklärten Stundungsvereinbarung eine eigenständige Schenkung und erließ hierüber im Jahr 2006 einen Schenkungsteuerbescheid an die Alleinerbin (Tochter). Hiergegen wandte sich die Tochter, unterlag aber beim Finanzgericht. Es war der Auffassung, dass in der fehlenden Vereinbarung von Zinsen eine unentgeltliche Nutzungsmöglichkeit bezüglich der Kapitals vorliegt. Darin sei eine Schenkung zu sehen. Keine Schwierigkeiten hatte das Gericht mit der Überlegung, dass im Zeitpunkt der notariellen Vereinbarung der Pflichtteilsanspruch noch gar nicht entstanden, geschweige denn geltend gemacht worden war. Zivilrechtlich kann nach Auffassung des Finanzgerichts dieser Anspruch als Anwartschaft bereits abgetreten werden. Da allerdings die Rechtsfrage unterschiedlich beurteilt wird, ließ das Gericht die Revision zu.

Unabhängig von dem etwas skurrilen Urteilsfall taucht die Frage der Zinslosigkeit häufig auf. In der Regel führt sie aber nur zu einer niedrigeren Bewertung (Abzinsung) des entstehenden Anspruchs (bzw. aus der Sicht des Verpflichteten zu einer niedrigeren Schuld).

Auch die Frage des Pflichtteilsanspruchs durch die zur Schlusserbin eingesetzte Tochter mag auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen, da sie ja zum Alleinerben eingesetzt war. Dies sollte jedoch erst nach dem Tod des letzten Elternteils gelten. Nach dem Tod des ersten Elternteils war sie enterbt. Hätte kein Testament bestanden, hätte sie die Hälfte des väterlichen Erbes erhalten. Diese „Enterbung“ gab ihr das Recht, den Pflichtteil geltend zu machen. Dieser betrug im konkreten Fall 25 % des väterlichen Nachlasses.

Der Pflichtteilsanspruch kann natürlich auch zur Minderung der gesamten familiären Steuerschuld eingesetzt werden. Dies war möglicherweise im Urteilsfall so geplant. Daher vereinbarten die Eltern und die Tochter schon im Vorfeld, dass der Tochter den Pflichtteilsanspruch zinslos stunden sollte.

Dies wurde ihr jetzt vor dem Finanzgericht Münster zum Verhängnis.

Im Übrigen kann die Frage der Zinslosigkeit nicht nur bei der Erbschaftsteuer eine Rolle spielen, sondern auch bei der Einkommensteuer. Derjenige, der auf Zinsen „verzichtet“, hat
– wenn man den obigen Gedanken als richtig zu Grunde legt – bei Zahlung des Nominalbetrages in Wirklichkeit eine niedrigere Hauptforderung erhalten und zusätzlich einen Zinsanteil. Dieser ist bei den Einkünften aus Kapitalvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen. Eine derartige Konstellation ist häufig sehr nachteilhaft, da einerseits die Zinseinahmen wegen Überschreitens der Sparerfreibeträge und dem Zusammenballen in einem Veranlagungsjahr zu einer deutlichen Steuerbelastung führt, während andererseits der Zahlungsverpflichtete wegen „privater Veranlassung“ die Zinsen steuerlich überhaupt nicht geltend machen kann.
(Urteil des Finanzgerichts Münster vom 08.12.2008, 3 K 2849/06 Erb., Aktenzeichen der Revision II R 22/09)

Stand Juli 2009
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