Abschirmung bei Elektrosmog – Finanzamt muss sich an Kosten beteiligen

Von Andreas Belz – Steuerberater – veröffentlicht  in der Recklinghäuser Zeitung

Nicht wenige Menschen beklagen den zunehmenden Elektrosmog. Dabei denken sie insbesondere an die Strahlungen, die von Mobilfunkeinrichtungen, Hochspannungsleitungen oder sonstigen Kabeln ausgehen. Dies betrifft aber nicht nur Quellen außerhalb einer Wohnung, sondern auch die innerhalb einer Wohnung befindlichen Kabel.  Bei Personen, die insoweit besonders empfindlich reagieren, spricht man wohl von einer Elektrosensibilität.

Einen interessanten Fall hatte jetzt das Finanzgericht Köln zu entscheiden. Die Klägerin hatte sich eine Eigentumswohnung gekauft und für Hochfrequenzabschirmmaßnahmen an der äußeren Gebäudehülle sowie im Bodenbereich der Wohnung 17.075,00 € ausgegeben. Sie hatte Anfang des betroffenen Veranlagungszeitraumes ein Gutachten einer Gynäkologin vorgelegt, wonach sie unter Migräne und Tinnitus litt. Weil bereits Abschirmmaßnahmen in einer früheren Mietwohnung erfolgreich waren, diagnostizierte die Ärztin die medizinische Notwendigkeit, auch in der neu angeschafften Eigentumswohnung Elektrohochfrequenzstrahlungsabschirmungen vorzunehmen.

Ein weiteres Gutachten eines Ingenieurbüros aus dem September des fraglichen Jahres ergab eine sogenannte Hochfrequenzimmissionsmessung in der Kategorie „stark auffällig“, die aus baubiologischer Sicht nicht mehr akzeptabel sei. Das Finanzamt hatte die Kosten trotzdem steuerlich nicht berücksichtigt.

Bei dem angerufenen Finanzgericht hatte die Klägerin hingegen mit der Geltendmachung der Kosten als außergewöhnliche Belastungen Erfolg. Das Finanzgericht sah die Baumaßnahmen als „zwangsläufig“ im Sinne des Einkommensteuergesetzes und als außergewöhnliche Belastung an. Der Klägerin kam zugute, dass zwischenzeitlich der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung zum formalistischen Nachweis gelockert hatte. Während er früher vor derartigen Maßnahmen ein amtsärztliches Attest verlangt hatte, ließ er nach einer Rechtsprechungsänderung im Jahr 2010 auch einen Nachweis in freier Beweiswürdigung, letztlich also auch nachträglich erstellte Privatgutachten, zu. Der Gesetzgeber hatte dem entgegenzuwirken versucht und – rückwirkend (dessen Rechtmäßigkeit noch streitig ist) – eine Gesetzesänderung mit einer Ermächtigungsmöglichkeit geschaffen. Das Finanzgericht kam jedoch zum Schluss, dass die hier betroffenen Baumaßnahmen nicht unter die einschränkenden Regelungen fielen und schon der Wortlaut der einschränkenden Vorschriften nicht anwendbar war. Dies war Glück für die Klägerin. Das Finanzgericht ging davon aus, dass die von ihr vorgenommenen Maßnahmen steuermindernd zu berücksichtigen seien, weil die Klägerin gezwungen war, eine konkrete von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehende Gesundheitsgefährdung zu beseitigen. Das Finanzgericht wies auch die Ansicht der Finanzverwaltung zurück, dass es sich um nachträgliche Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten der neuen Wohnung handele. Für „Normalbürger“ seien überdies nämlich die Maßnahmen nicht wertsteigernd, sondern wertmindernd. Sie verhinderten nämlich, dass Mobilfunkgeräte oder kabellose Telefone innerhalb der Wohnung genutzt werden konnten. Daher könne auch nicht von einem Mehrwert gesprochen werden, der die Anwendung der Regeln über die außergewöhnliche Belastung verhindert hätte.

Wenngleich das Urteil für die Klägerin günstig war, sollte doch in einem vergleichbaren Fall mit Vorsicht vorgegangen werden. Bspw. empfiehlt es sich in jedem Fall vorsorglich vor Beginn von Baumaßnahmen die Einholung eines amtsärztlichen (also nicht nur privatärztlichen) Gutachtens. Ob andere Finanzgerichte der Auffassung des entscheidenden Gerichts folgen, bleibt ebenfalls offen.
(Urteil des Finanzgerichts Köln vom 08.03.2012 10 K 290/11 – Revision nicht zugelassen).