Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM)

Von Dr. Thorsten Engel – Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht – veröffentlicht  in der Mitarbeiterzeitung des Prosper-Hospitals

Der Gesetzgeber hat in § 84 Abs. 2 SGB IX das sogenannte betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) eingeführt. Danach ist ein BEM durchzuführen, wenn ein Arbeitnehmer in einem Jahr länger als sechs Wochen (zusammenhängend oder in mehreren Zeitabschnitten) arbeitsunfähig ist. Die Initiative hat von dem Arbeitgeber auszugehen. § 84 Abs. 2 SGB IX gilt für alle Arbeitnehmer und nicht nur für Schwerbehinderte bzw. Schwerbehinderten gleichgestellte Menschen. Ohne Zustimmung des Arbeitnehmers findet dieses Verfahren jedoch nicht statt. Verweigert der Arbeitnehmer die Zustimmung zur Durchführung, entfallen die Verpflichtungen des Arbeitgebers aus § 84 Abs. 2 SGB IX.

Problematisch ist, dass der Gesetzgeber zwar ein solches Verfahren vorsieht, dessen Durchführungsmodalitäten jedoch nur in Grundzügen geregelt sind und die Folgen, die sich aus einem nicht oder fehlerhaft durchgeführten BEM ergeben, sich in keiner Regelung finden lassen.

Einigkeit besteht, dass für die Anwendbarkeit des § 84 Abs. 2 SGB IX die Faktoren Betriebsgröße und Beschäftigtenzahl irrelevant sind. Einigkeit besteht weiterhin, dass im Falle zusammenhangloser Arbeitsunfähigkeitszeiten, die sich zufällig auf sechs Wochen in einem Jahr summieren, ein BEM nicht erforderlich ist, da hier die Zielsetzung des BEM, nämlich die frühzeitige Klärung, ob und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern, nicht zum Tragen kommt.

Zweckmäßigerweise sollte wie folgt vorgegangen werden: Zunächst ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer in einem Jahr länger als sechs Wochen, wobei unter einem Jahr ein Zeitraum von 12 Monaten zu verstehen ist und nicht zwingend das Kalenderjahr, zusammenhängend oder in mehreren Zeitabschnitten arbeitsunfähig war; zusammenhanglose Zeiten sind außen vor zu lassen. Sodann ist die Zustimmung des Arbeitnehmers einzuholen, dass BEM durchzuführen. Stimmt der Arbeitnehmer zu, ist mit ihm ein erstes Gespräch zu führen. Sodann sollte mit allen Beteiligten ein Eingliederungsgespräch geführt werden, dessen Verlauf zweckmäßigerweise dokumentiert und von allen Beteiligten abgezeichnet werden soll. Der erarbeitete Eingliederungsplan bzw. die vereinbarten Maßnahmen sind umzusetzen, deren Durchführung zu kontrollieren und entsprechend zu dokumentieren. Nach vollständiger Umsetzung sollte ein Abschlussgespräch geführt werden, dessen Verlauf ebenfalls zu dokumentieren ist.

Im Hinblick auf eine etwaige krankheitsbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber ist festzuhalten, dass das BEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine solche Kündigung darstellt. Führt der Arbeitgeber allerdings kein oder ein fehlerhaftes BEM durch, kann dieses Folgen für die Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess nach sich ziehen.

Hat das BEM nicht oder nicht ordnungsgemäß stattgefunden, ist zu prüfen, ob ein positives Ergebnis hätte erwartet werden können. Ist dieses nicht der Fall, so kann dem Arbeitgeber aus dem Unterlassen bzw. der fehlerhaften Durchführung des BEM kein Nachteil entstehen. Wäre jedoch ein positives Ergebnis möglich gewesen, führt das Unterlassen zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitgeber muss in diesem Fall vollumfänglich vortragen, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ausgeschlossen ist.

Die vorgenannten Ausführungen können lediglich als Anhaltspunkte dienen, da das Bundesarbeitsgericht bisher davon abgesehen hat, dieses Verfahren zu formalisieren mit der Begründung, dass es sich allein um einen verlaufs- und ergebnisoffenen Sachprozess handelt. Zur Schaffung transparenter Verfahrensabläufe empfiehlt sich jedoch der Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung.