Fettabsaugung: Ohne das Finanzamt!

Von Rechtsanwalt/Steuerberater/vereidigter Buchprüfer G.-B. Sprißler – veröffentlicht in der RZ Gesundheit Nr. 62

Kosten für aufwändige ärztliche Behandlung, insbesondere Operationen, beschäftigen immer wieder Finanzgerichte. Einen etwas außergewöhnlichen Fall hatte jetzt das Finanzgericht Baden-Württemberg zu entscheiden. Bei der Steuerpflichtigen wurde im Sommer 2006 vom Hausarzt ein Lipödem (Ansammlung von übermäßig viel Fettgewebe) an den Beinen festgestellt. Neben gewichtsreduzierenden Maßnahmen, Aqua-Sport  und sonstigen Aktivitäten sollte der Steuerpflichtige mit Kompressionsstrümpfen versorgt werden. Nach einem ärztlichen Attest wurde die Fortführung der bisher durchgeführten Maßnahmen vorgeschlagen, eventuell auch eine Fettabsaugung.

Die bei der gesetzlichen Krankenkasse versicherte Steuerpflichtige beantragte in der Folgezeit die Kostenübernahme für eine Fettabsaugung bei der gesetzlichen Krankenkasse. Diese lehnte eine derartige Maßnahme ab, weil es sich um eine „unkonventionelle Behandlungsmethode“ handele, die vom gemeinsamen Bundesausschuss noch nicht empfohlen sei und daher von der Kassenleistung ausgeschlossen sei. Aus schulmedizinischer Sicht stünden andere Behandlungsmöglichkeiten, beispielsweise Lymphdrainage, Kompressionen und Krankengymnastik zur Verfügung. Sowohl der Widerspruch wie auch die daraufhin eingelegte Klage vor dem Sozialgericht blieben erfolglos.

Bereits am 01. Februar 2008 war die Steuerpflichtige beim Gesundheitsamt des Kreises vorstellig geworden, das ihr bescheinigte, wonach die Fettabsaugung als Behandlungsmethode für das vorliegende Störungsbild nicht anerkannt sei und aus medizinischer Sicht daher nicht für notwendig erachtet werden könne. Die psychische Beeinträchtigung könne durch den kosmetischen Eingriff reduziert werden.

Im April 2008 ließ sie sich bei einer Klinik in der Rechtsform einer GmbH eine Fettabsaugung vornehmen; der behandelnde Arzt stellte im April ein Attest aus und vertrat darin die Auffassung, dass eine Operation aus medizinischer Sicht notwendig gewesen sei, da die Patientin ansonsten eine lebenslange manuelle Lymphdrainage und Kompression gebraucht hätte. Bereits im November 2007 hatte die Steuerpflichtige eine Vorauszahlung von fast 12.000,- € für die Operations und sonstigen Kosten der Klinik geleistet. Diese Aufwendungen wollte sie nunmehr steuerlich als sogenannte außergewöhnliche Belastungen geltend machen.

Sowohl das Finanzamt wie auch das Finanzgericht wiesen die Klage ab. Nach Auffassung der Richter fehlte es an der erforderlichen Zwangsläufigkeit. Nach geltendem Recht ist nämlich für die steuerliche Geltendmachung entweder die Kostenübernahme zumindest teilweise durch die Krankenkasse erforderlich. Alternativ ist seit 2011 nach dem Einkommensteuergesetz ein vorheriges amtsärztliches Attest erforderlich. Dies gilt insbesondere für solche Maßnahmen, die häufig auch aus kosmetischen Gründen durchgeführt werden, was das Gericht im vorliegenden Fall wohl unterstellt hat. Nach Auffassung des Gerichtes lagen daher die gesetzlichen Voraussetzungen für eine steuerliche Berücksichtigung nicht vor. Auch der Umstand, dass das Gesetz erst nach der Behandlung geändert wurde, steht der rückwirkenden Anwendung nicht entgegen. Da die Klägerin wohl deutlich vor der Operation durch die ablehnende Begutachtung des Amtsarztes darauf aufmerksam gemacht worden ist, dass die Behandlung medizinisch nicht notwendig war, fehlt es an dem vom Gericht verlangten Erfordernis der Zwangsläufigkeit. Ein nachträglich erstelltes Gutachten hätte dieses formelle Erfordernis (Gutachten vor Operation) nicht heilen können.

Da die Steuerpflichtige Revision eingelegt hat, muss sich jetzt der Bundesfinanzhof mit der Problematik befassen.

(Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 04.02.2013, AZ 10 K 542/12; Revision beim Bundesfinanzhof VI R 5113)