Mein „Frei“ gehört mir

Von Dr. Thorsten Engel, LL.M. – Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht – veröffentlicht in der Mitarbeiterzeitung des Prosper-Hospitals

Personalausfall stellt in vielen Kliniken und Pflegeeinrichtungen ein Problem dar. In diesem Zusammenhang taucht immer wieder die Frage auf, ob Mitarbeiter in ihrer Freizeit angerufen und zu ihrer Arbeitsstelle gerufen werden können, obwohl sie gemäß des Dienstplanes frei haben.

Anknüpfungspunkt für die Beantwortung dieser Frage ist der Begriff der Arbeitszeit. Er ist in § 9 a AVR unter Verweis auf die Anlagen 5 und 30 – 33 zu den AVR definiert. Demnach beträgt die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitmitarbeiters durchschnittlich 39 Stunden in der Woche. Die Festlegung der Lage dieser Arbeitszeit obliegt dem Dienstgeber. Dieses unterfällt dem so genannten „Direktionsrecht“. Durch die Aufstellung eines Dienstplanes wird das Direktionsrecht ausgeübt und die geschuldete Arbeitsleistung festgelegt. Nur während der festgelegten Arbeitszeit kann der Dienstgeber sein Direktionsrecht ausüben.

Darüber hinaus können Mitarbeiter gem. § 7 der Anlage 5 zu den AVR zu Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft herangezogen werden. Gemäß des dortigen Absatzes 2 ist der Mitarbeiter bei Bereitschaftsdiensten verpflichtet, sich außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Dienstgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen, während gemäß Absatz 3 sich der Mitarbeiter bei Rufbereitschaft außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einem von ihm selbst gewählten Ort, an dem seine Erreichbarkeit sichergestellt ist, um bei Abruf kurzfristig die Arbeit aufzunehmen, aufhält.

Mithin kann der Dienstgeber während der Rufbereitschaft den Verpflichteten zur Arbeitsleistung heranziehen. Außerhalb dieser dienstplanmäßigen Arbeitszeiten sind Anweisungen des Dienstgebers, Arbeitsleistung zu erbringen, unzulässig. Nicht unter Arbeitszeit fallen auch Urlaub und die Arbeitsbefreiung als Ausgleich der Überstunden gemäß § 3 Abs. 2 der Anlage 6 zu den AVR.

Durch die Gewährung von Urlaub oder Arbeitsbefreiung hat der Dienstgeber sein Direktionsrecht ausgeübt. Die Freistellung erfolgt durch eine entsprechende Erklärung des Dienstgebers gegenüber dem Mitarbeiter, durch die der Dienstgeber den Mitarbeiter von seiner an sich bestehenden Arbeitspflicht befreit; der Dienstgeber verzichtet auf sein vertragliches Recht auf Leistung der geschuldeten Arbeit in dem bestimmten Umfang und bringt damit die entsprechende Arbeitspflicht des Mitarbeiters zum Erlöschen.

Daraus folgt, dass der Mitarbeiter während der Arbeitsbefreiung nicht erreichbar sein muss, mithin der Mitarbeiter z.B. auch die Möglichkeit hat, zu verreisen. Ist er jedoch während des Ausgleichs der Überstunden für den Dienstgeber erreichbar und liegen dringende betriebliche Belange vor, kann das Direktionsrecht erneut ausgeübt werden, indem die Arbeitsleistung abgefragt wird. Der Zeitpunkt der Arbeitsbefreiung liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstgebers.

Die Überstunden sind bis zum Ende des nächsten Kalendermonats auszugleichen; im begründeten Einzelfall kann die Frist für den Ausgleich im Einvernehmen mit dem Mitarbeiter verlängert werden, § 3 Abs. 2 der Anlage 6 zu den AVR. Nach dem Ende des nächsten Kalendermonats hat der Mitarbeiter also einen Anspruch auf die Überstundenvergütung. Jedoch kann der Dienstgeber auch nach diesem Zeitpunkt mit befreiender Wirkung bezahlte Arbeitsbefreiung gewähren, wenn der Mitarbeiter damit einverstanden ist.