Terminsaufhebung wegen ärztlicher Notfallbehandlung?

Von Gregor-B. Sprißler – Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, vereidigter Buchprüfer, Steuerberater – veröffentlicht  in der Recklinghäuser Zeitung

Das Recht auf rechtliches Gehör hat einen hohen Stellenwert in unserer Rechtsordnung. Hierzu gehört auch, die Argumente in einer mündlichen Verhandlung persönlich dem oder den Richtern vorzutragen.

Ein interessanter Fall erreichte jetzt die Finanzgerichtsbarkeit. Dort hatte der Steuerpflichtige sich mit dem Finanzamt gestritten und gegen einen aus seiner Sicht falschen Steuerbescheid gewehrt. Die Sache gelangte dann an das Finanzgericht. Trotz mehrfacher Fristverlängerungen und Mahnungen hatte er weder dem Finanzamt noch dem Finanzgericht die erforderlichen Unterlagen eingereicht. Das Finanzgericht hatte mit Schreiben vom 26.04.2011 einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 13.05.2011 anberaumt.

Am Tag der mündlichen Verhandlung beantragte die Ehefrau des Steuerpflichtigen um 9.23 Uhr durch Fax die Verlegung, weil ihr Mann, der Steuerpflichtige, durch zahnärztliche Notfallbehandlung abwesend sei und die entsprechende ärztliche Bescheinigung schnellstmöglich nachgereicht werde. Gleichzeitig beantragte sie eine Verlegung der mündlichen Verhandlung.

Das Finanzgericht antwortete per Fax, dass bis 10.00 Uhr ein ärztliches Attest vorzulegen sei, aus dem sich die Verhandlungsunfähigkeit und die Gründe hierfür im Einzelnen ergäben.

Da dies nicht geschah, verkündete das Finanzgericht um 10.15 Uhr ein abweisendes Urteil.

Die zahnärztliche Bescheinigung, dass aufgrund einer kurzfristigen und aufwendigen kieferchirurgischen Maßnahme der Steuerpflichtige und Kläger den Gerichtstermin nicht wahrnehmen konnte, ging beim Finanzgericht erst um 12.51 Uhr ein. Nach Auffassung des Klägers hätte das Finanzgericht den Termin zur mündlichen Verhandlung verlegen müssen.

Mit diesem Argument konnte er sich in der nächsten Instanz durchsetzen. Man spürt förmlich, dass das Gericht nur einen Grund gesucht hatte, das – möglicher- weise ja auch nicht zu billigende Verhalten im Vorfeld – zu sanktionieren und ein Exempel zu statuieren. Steuerpflichtige sind auch verpflichtet, rechtzeitig vorher Terminsverlegungsanträge zu stellen. Dabei sind aber alle Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Wenn wie im vorliegenden Fall eine plötzliche Verhandlungsunfähigkeit eintritt, muss das Gericht dies berücksichtigen. Nach Angaben des Bundesfinanzhofes gab es keine objektiven Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Darstellungen des Klägers. Eine Vorlage binnen 15 Minuten zu verlangen, ist unbillig. Wenn ein ärztlicher Notfall vorliegt, ist dies praktisch unmöglich.

Ein anderer Senat des Finanzgerichts darf sich jetzt wieder mit der Sache befassen.

Jeder unbefangene Leser spürt förmlich, dass – durch das naturgemäß für den Verfahrensgang nicht förderliche Verhalten des Klägers im Vorfeld – das Finanzgericht „sauer“ war. Auch Richter können sich eben von Gefühlen nicht freimachen. Dies ist aber – nicht nur für Richter – ein schlechter Maßstab (BFH Beschluss vom 06.12.2011 – 11 B 64/11).