Der Mindestlohn und seine Folgen

Von Dr. Thorsten Engel, LL.M. – Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Steuerrecht

1. Haftung des Auftraggebers

Das ab dem 01.01.2015 in Kraft getretene Mindestlohngesetz (MiLoG) berührt insbesondere auch die Vertragsverhältnisse zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern. Ein Auftraggeber muss künftig sicherstellen, dass die Vorschriften dieses Gesetzes auch durch seine Vertragspartner eingehalten werden. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 13 MiLoG in Verbindung mit § 14 des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG).

Diesem Umstand muss bei der vertraglichen Ausgestaltung der Aufträge Rechnung getragen werden. Demzufolge sollte sich jeder Auftraggeber vom Auftragnehmer garantieren lassen, dass er den jeweils gesetzlich geschuldeten Mindestlohn zahlt und dass er darüber hinaus dafür Sorge trägt, dass auch etwaige Nachunternehmer des Auftragnehmers dasselbe tun. Die bloße Verpflichtung sollte untermauert werden durch verschiedene Überprüfungsrechte. So könnte sich ein Auftraggeber das Recht einräumen lassen, von dem Auftragnehmer bzw. seinen Nachunternehmern einen Nachweis über die Zahlung des Mindestlohns zu verlangen und bei Bedarf zugrunde liegende Aufzeichnungen über geleistete Arbeitsstunden und hierfür gezahlte Arbeitsentgelte. Auch wäre bei Nichtvorlage denkbar, ein Einsichtsrecht in die anonymisierten Lohn- und Gehaltslisten zu vereinbaren. Damit einhergehen sollte ein Sonderkündigungsrecht im Hinblick auf das bestehende Auftragsverhältnis für den Fall, dass der Mindestlohn von dem Auftragnehmer oder einem beauftragten Nachunternehmer nicht bezahlt wird.

Auch sollte eine Freistellung vereinbart werden hinsichtlich etwaiger Inanspruchnahmen Dritter, Verbindlichkeiten gegenüber Dritten sowie behördlicher Bußgelder und gerichtlicher Geldstrafen, die einem Auftraggeber aus einer Verletzung der gesetzlichen Mindestlohnverpflichtungen der Auftragnehmer und/oder seiner Nachunternehmer entstehen. Ferner sollte eine Informationspflicht vereinbart werden über die Inanspruchnahme des Auftragnehmers oder eines Nachunternehmers durch Dritte oder die Einleitung von Ordnungswidrigkeiten- und/oder Strafverfahren im Zusammenhang mit der zugrunde liegenden Beauftragung. Schließlich sollte ein Auftragnehmer verpflichtet werden, vorgenannte Verpflichtungen auch den von den Auftragnehmern eingesetzten Nachunternehmern aufzuerlegen.

Sofern nicht gewünscht ist, dass diese Verpflichtungen Gegenstand des eigentlichen Auftrages werden sollen, kann mit unterschiedlichen Vereinbarungen operiert werden. Dieses sollte dergestalt erfolgen, dass das ursprüngliche Auftragsverhältnis unter der aufschiebenden Bedingung der Unterzeichnung der Ergänzungsvereinbarung steht.

2. Dokumentationspflicht

Ein weiteres Feld des MiLoG ist die Dokumentationspflicht, die sich aus § 17 Abs. 1 Satz 1 MiLoG und § 19 Abs. 1 Satz 1 AEntG ergibt.

Sie gilt generell nur für geringfügig Beschäftigte – Ausnahme: Minijobber im privaten Bereich – und die in § 2 a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) genannten Wirtschaftsbereiche und Wirtschaftszweige, in denen eine besondere Missbrauchsgefahr befürchtet wird. Dazu zählen das Baugewerbe, das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, das Speditions-, Transport- und damit verbundene Logistikgewerbe, das Schausteller-gewerbe, Unternehmen der Fortwirtschaft, das Gebäudereinigungsgewerbe, Unternehmen im Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen und die Fleischwirtschaft.

Der Arbeitgeber muss festhalten oder festhalten lassen: den Beginn der Arbeitszeit (für jeden Arbeitstag), das Ende der Arbeitszeit (ebenfalls für jeden Arbeitstag) und die Dauer der täglichen Arbeitszeit (Pausenzeiten gehören nicht zur Arbeitszeit).

Nach derzeitigem Stand ist es nicht erforderlich, dass die Aufzeichnungen maschinell erstellt werden, eine handschriftliche Protokollierung ist ausreichend. Weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer müssen die Aufzeichnung unterschreiben. Die Arbeitszeit muss bis zum Ablauf des 7. auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages dokumentiert sein, also eine Woche später. Das Dokument hat beim Arbeitgeber zu verbleiben und muss bei einer Kontrolle durch den Zoll vorgelegt werden.

Ausnahmen zur oben dargestellten Dokumentationspflicht finden sich in der Mindestlohnaufzeichnungsverordnung (MiLoAufzV) sowie in der Mindestlohndokumentationspflichten-Verordnung (MiLoDokV). Unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 des MiLoAufzV genügt die Aufzeichnung nur der Dauer der tatsächlichen täglichen Arbeitszeit. Die Voraussetzungen sind, dass die Arbeitnehmer mit ausschließlich mobilen Tätigkeiten beschäftigt sind, diese keinen Vorgaben zur konkreten täglichen Arbeitszeit im Hinblick auf den Beginn und das Ende unterliegen und sich ihre tägliche Arbeitszeit eigenverantwortlich einteilen. Die Definition einer ausschließlich mobilen Tätigkeit findet sich in § 1 Abs. 2 MiLoAufzV.

Eine weitere Ausnahme zu der Dokumentationspflicht regelt § 1 MiLoDokV. Demnach gilt sie nicht für Arbeitnehmer, deren verstetigtes regelmäßiges Monatsentgelt 2.958,00 € brutto überschreitet und für die der Arbeitgeber seine nach § 16 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) bestehenden Verpflichtungen zur Aufzeichnung der Arbeitszeit und zur Aufbewahrung dieser Aufzeichnungen tatsächlich erfüllt. Bei der Aufzeichnung nach § 16 Abs. 2 ArbZG handelt es sich um die Dokumentation über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Abs. 1 ArbZG hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer, also diejenige Arbeitszeit, die die werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden überschreitet. Darüber hinaus ist ein Verzeichnis derjenigen Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gem. § 7 Abs. 7 ArbZG eingewilligt haben. Nur wenn beide Voraussetzungen gegeben sind, sind weitere Aufzeichnungen nicht zu erstellen.

3. Bereitzuhaltende Unterlagen

Arbeitgeber müssen für die Prüfung der Einhaltung der Arbeitsbedingungen nach dem MiLoG den Bediensteten des Zoll folgende Unterlagen vorlegen:   Arbeitsvertrag bzw. Dokumente, aus denen sich die wesentlichen Inhalte des Beschäftigungsverhältnisses ergeben, Arbeitszeitnachweise, die nach Beschäftigungsorten differenzieren müssen, soweit regional unterschiedliche Mindestlöhne in Betracht kommen können, Lohnabrechnungen und Nachweise über erfolgte Lohnzahlungen.

Soweit sich Arbeitgeber auf eine Arbeitszeitflexibilisierung berufen wollen, müssen zusätzlich die schriftliche Vereinbarung über die Arbeitszeitflexibilisierung vorgelegt werden, das Ausgleichskonto für jeden Arbeitnehmer sowie der Nachweis über die Absicherung des Ausgleichskontos, soweit nach Tarifvertrag oder Rechtsverordnung erforderlich.

Auf Verlangen der Prüfbehörde hat der Arbeitgeber diese Unterlagen am Ort der Beschäftigung, bei Bauleistungen auf der Baustelle, vorzulegen.

Um diesem Prüfungsauftrag gerecht zu werden, beabsichtigt der Bund, deutschlandweit 1.600 zusätzliche Stellen beim Zoll zu schaffen.